► Zum Zeitpunkt, da diese Zeilen entstehen, stehen die Zeichen nicht günstig für Orte, an denen Menschen zusammenkommen. Es ist Ende April, der Anti-Corona-Lockdown läuft. Konzerte und Events werden verschoben, Treffpunkte des kulturellen Lebens bleiben geschlossen. Auch Norbert Nieser, Eigentümer der nach ihm benannten Galerie in Stuttgart Degerloch musste die Galerietüren schließen und jüngst zwei Ausstellungen absagen. Hier allerdings gibt es die Einladung, mit den folgenden Sätzen das Reich der Bilder zu betreten. ◄
Galerie Norbert Nieser
In Zeiten der Bilderfluten, die das Web und insbesondere die Social-Media-Kanäle überschwemmen, bietet die Galerie Norbert Nieser „in Stuttgarts wildem Süden“ eine Form der Kunstbegegnung geprägt von Ruhe, bewusster Betrachtung und der Verführung zum Verweilen vor ausgewählten Fotografien. Seit 1998 ist die Galerie eine tragende Säule der Szene, die viele Talente gefördert hat.
Erfahrung und Ehrgeiz
Vor 22 Jahren öffnete Norbert Nieser erstmals die Türen zu seiner Galerie, die sich innerhalb kurzer Zeit zu einer der ersten Adressen für junge Talente und renommierte Fotografen entwickelt hat. Sie bietet nationalen und internationalen Künstlern Raum, ihre Werke auszustellen, und hat seit ihren Anfängen die Stuttgarter Fotoszene maßgeblich mitgeprägt – als sogenanntes „lebendiges Netzwerk“. „Unter lebendigem Netzwerk verstehe ich, dass sich bei uns im Haus gleichgesinnte Fotokunstbegeisterte treffen können, um sich auszutauschen, Kontakte zu knüpfen und neue Projekte rund um die Fotografie zu finden. Und natürlich geht es auch um Kunstvermittlung: darum, Menschen für Kunst zu begeistern und eine Schnittstelle zwischen Künstlern und Käufern zu schaffen“, erklärt Norbert Nieser, der weder in seinem Wesen noch seinem Äußeren das Extravagante zeigt, das in vielen der meist großformatigen Bilder in seinen Galerieräumen zu finden ist. Vielmehr weckt der kunstbegeisterte Mann Assoziationen an Thomas Mann und dessen Statement: „Man ist als Künstler innerlich immer Abenteurer genug. Äußerlich soll man sich gut anziehen, zum Teufel, und sich benehmen wie ein anständiger Mensch.“
„Schon nach der Eröffnung waren Ausstellungen für die nächsten zwei Jahre gebucht”
Auch optisch erinnert der Galerist ein wenig an den Schriftsteller, der das Künstlerische und das Bürgerliche vereinte, auch wenn Norbert Niesers Metier die Fotografie ist. Möglich, dass das Bodenständige mit seiner ursprünglichen Profession zusammenhängt, denn Norbert Nieser studierte zwar auch Fotografie, aber ebenso Informatik und Betriebswirtschaftslehre. „Ich kam nach dem Studium der Fotografie in England Mitte der 90er nach Deutschland zurück – und musste damals feststellen, dass es kaum einen Markt für Fotokunst gab, und auf einer eigenen Vernissage musste ich erleben, dass sich niemand für meine Bilder und den Künstler interessierte, das „who is who“ und die Buffets standen im Vordergrund. Das wollte ich dann mit einer eigenen Galerie und einem anderen Konzept ändern. Das war damals der Plan.“ Ein Plan der aufging, und das bereits nach kurzer Zeit. „Am Anfang dachte ich, ich müsste den Künstlern nachlaufen, dass sie ihre Bilder bei mir präsentieren. Aber schon nach der Eröffnung waren Ausstellungen für die nächsten zwei Jahre gebucht. Im zweiten Jahr stellten beispielsweise Künstler aus den USA bei mir aus. Es gab ein Vakuum in Stuttgart, das ich gefüllt habe. Im Grunde existierte damals in Stuttgart nur eine Fotobuchhandlung, in der sich Fotobegeisterte getroffen haben, Fotokurse und Ausstellungen vielleicht mal in der Volkshochschule.“
©Christian Liederer. Erschienen im Magazin Go for More. Dieser Beitrag darf gerne geteilt, Texte zitiert werden. Das Urheberrecht und geistige Eigentum sind durch den Verweis auf die Quelle zu beachten.