Christian Kaiser hat eine nicht alltägliche Passion: Aus seinen Spuren im Sand lässt er Kunstwerke entstehen.
Der Sandmann
Eine Hand streicht durch eine Sandfläche auf einem beleuchteten Tisch. Aus dem amorphen Material entstehen Formen, Konturen zeichnen sich ab, ein Gesicht, eine Landschaft. Die kleinkörnige Substanz ist ausgebreitet wie eine Leinwand. Auf ihr malt Christian Kaiser – Sandkünstler.
Vom Trickfilm zur Performance
„Auf Sand bin ich über den Animationsfilm gekommen“, blickt Christian Kaiser zurück, der seine Fertigkeiten mit dem Medium inzwischen perfektioniert hat. Seit 2004 beschäftigt sich der gelernte Glasmaler und Animation-Designer mit der Sandkunst. Zu Beginn nutzte er Sand zunächst für das Erstellen von Trickfilmen. „Durch die Technik lassen sich relativ schnell und unaufwändig Bewegtbilder erzeugen, die ihre ganz eigene Ästhetik haben“, erklärt er. Auch heute stellt er noch Produktionen auf diese Art her, meist sind es Auftragsarbeiten: Die Darstellung einer Firmengeschichte oder ein Beitrag für eine Hochzeit – die Anfragen sind vielfältig. Allerdings liegt sein Interesse heute aber vor allen Dingen in der Sand-Performance am beleuchteten Tisch – live, und bevorzugt zusammen mit anderen Künstlern, Musikern, Tänzern und Schauspielern. „Die Wechselwirkung, die gegenseitigen Impulse aus Visuellem und Musikalischem, die Atmosphäre, in der Kunst erschaffen wird – hierin liegt die Faszination.“ Formen nahm diese Leidenschaft für experimentelle Kooperationen bereits in verschiedenen Projekten an: „Ich arbeite zum Beispiel mit Peter Nickel, Dirigent und Chorleiter des Sängerkranzes Alfdorf, zusammen und trete mit der Band Daydream auf. Zudem habe ich an den Reichsstädter Tagen in Aalen performt. Auch das illustrierte Märchen „Mondbrunnen“, das wir unter anderem beim Schattentheaterfestival aufführten, zählt zu meinen Favoriten. Eine besondere Sache ist auch die jährliche Krimi-, Sand-& Grusellesung zu Halloween mit dem Ensemble von ‚Sektion 3‘, bei dem ich Horrorstorys am Sandtisch visualisiere.“
Ein eigener Kosmos
Video-Technik ist bei allem ein wichtiger Bestandteil des Kunstwerdens und -erlebens: Kameras fangen das Geschehen auf den Sandtischen ein, Video-Projektoren werfen die Bilder an die Wände. Dadurch wird die Aktion auf den Tischen live noch einmal im Raum verstärkt. Alle Besucher können so an dem Prozess teilhaben, der gesamte Raum wird zum Kunstwerk. Wer bereit ist, hier einzutauchen, den entführt der Künstler in einen ganz eigenen Kosmos – eine bewegliche Bilderwelt, die aus dem Spiel von Sand, Licht und Schatten entsteht. Fühlende Hände malen im Sand, faszinierende Gebilde entstehen – mal vage und abstrakt, mal konkret, aber immer geprägt von der Ästhetik des Werdens, deren Vollendung das formende Bewusstsein des Betrachters aus den optischen Impulsen miterzeugt. Alles ist ständig im Wandel, ein Panoptikum wechselnder Metamorphosen – beeinflusst durch die Aktionen und Stimmungen der Akteure. Ein Labor der non-verbalen Kommunikation, eine Sphäre ursprünglicher Schöpfung, wo aus dem Ungestalteten ästhetische Formen werden. Veränderlich, veränderbar, wandelbar. „Ich liebe es zu experimentieren – und den Live-Charakter, der die Vergänglichkeit der Bilder zusätzlich unterstreicht“, erklärt der Künstler.
sandtogether und der leuchtende Tisch
Kein Künstler ohne Werkzeug: Der Maler hat den Pinsel, der Bildhauer den Meißel – Christian Kaiser hat seine Hände und … den Lumocube, jenen leuchtenden Tisch, den der Künstler bei seinen Auftritten nutzt und der mehrfach in der Kultur-Location Zappa zu finden ist, wo die Sandkunst seit ziemlich genau einem Jahr ihre festen Räumlichkeiten gefunden hat. Hier ist die Wirkungsstätte des Vereins sandtogether, dessen Vorstand Christian Kaiser auch ist. „Angefangen hat es damit, dass sandtogether Sandtische brauchte, die zum einen als raumgestaltendes Element wirken und zum anderen dazu dienen sollten, dass eine Gruppe gemütlich sitzen und malen kann. So entwarf und gestaltete ich für das Sandlabor einen speziellen Tisch, der heute Lumocube heißt.“ Visiocollect, der technische Partner von sandtogether in den Bereichen Licht, Installation und Event, machte daraus ein Produkt. Der Verein, der heuer sein siebenjähriges Jubiläum feiert, zählt inzwischen ca. 60 Mitglieder, die aus unterschiedlichen Bereichen kommen. Hier engagieren sich nicht nur Künstler und Designer, sondern z.B. auch Musiker, Veranstaltungstechniker, Informatiker und Menschen aus kaufmännischen und sozialen Berufen.
Zappa – der Ort für Kunst, Kultur und Musik
„Zappa ist unsere Wirkungsstätte – eine Kunst-, Kultur- & Musik-Location, die als Plattform für Musik- und Kulturschaffende aus verschiedensten Bereichen dient. Konzerte, Partys, Performances, Theater, Workshops, Lesungen, Poetry Slams, Jam-Sessions, Ausstellungen und vieles mehr sollen hier in einem professionellen und authentischen Umfeld stattfinden können. Kreative sollen sich hier wohlfühlen und den Kulturbetrieb Zappa als neues Zuhause ins Herz schließen“, so Christian Kaiser.
Offen für die Öffentlichkeit – jeden Donnerstag
Wer Sand-Performances sehen möchte, hat jeden ersten Samstag im Monat in der Location die Möglichkeit dazu: „Sanderground“ ist eine der Veranstaltungen, die regelmäßig Sandkunst und elektronische Musik kombiniert. Und jeden Donnerstag können Interessierte selbst mit Sand am Lumocube experimentieren. Ab 18 Uhr sind die Türen geöffnet. „Die Hemmschwelle, selbst kreativ zu werden, fällt schnell“, lächelt Christian Kaiser. „Viele kommen und sagen: ‚Aber ich kann doch gar nicht malen.‘ Doch das ist schnell überwunden, die Leute tauchen völlig ein und vergessen die Zeit. Das liegt am Medium. Sand hat etwas sehr Spielerisches. Die Eigenschaft, dass Sand beweglich ist, hilft uns, spontaner und freier zu agieren. Es ist ja Sand – und eben kein weißes Blatt Papier, das jeden Strich festhält.“
Sinne und Sand – Workshops
Für Christian Kaiser bietet Sand die
Möglichkeit ganz eigener ästhetischer Erfahrungen: „ Die Dynamik, mit der
intuitiv gestaltet werden kann, eignet sich auch hervorragend für die Arbeit
mit Gruppen.“ sandtogether bietet deshalb verschiedene Sand-Workshops an. Die
Inhalte variieren von Sandmalen, Skulpturen bilden bis hin zu Stop-Motion
Trickfilmen am Sandtisch. „Man muss kein großer Künstler sein, um faszinierende
Formen, Muster und Bilder im Sand entstehen zu lassen. Im Workshop ‚Sandmalen‘
vermitteln wir zum Beispiel verschiedene Techniken, mit denen gestaltet werden
kann – wie Rieseln, Wischen, Zeichnen, Pusten. Und im Workshop „Tricklabor“
wird in der Gruppe ein gemeinsamer Trickfilm mit Sandbildern erstellt. Eine
Kamera hält die im Sand entstehenden Bilder fest und verarbeitet sie
anschließend zu einem Film. Im Tricklabor wird ohne viele Zwischenschritte
direkt und intuitiv am Sandtisch gearbeitet. Dabei werden die Prinzipien von
bewegten Bildern wie auch Techniken des Sandmalens praktisch vermittelt. Sand
bietet aber nicht nur als zweidimensionale Fläche Möglichkeiten, wie schon
Amateursandburgbauer wissen. Auch „Carven“ kann gelernt werden – die
Herstellung von Sandskulpturen aus Sand in erdfeuchtem und
gepresst-verdichtetem Zustand.
Sandtasialand
Ohne Zweifel ist Sand auch das Medium schlechthin für Kinder. Mit „Sandtasialand“ bietet der Verein gezielt Workshops für Kinder im Alter von 4-12 Jahren an. „Gemeinsames Malen am Sandtisch mit Haushalts- und Naturmaterialien geben den Kindern die Möglichkeit, sich auszudrücken und kreativ zu entwickeln“, so Christian Kaiser. „Märchen, von einer Märchenerzählerin vorgetragen und am Sandtisch in lebendige Bilder gebracht, bereichern das Programm ebenso wie die Gestaltung eigener Sandwelten mit Sandbildern, -knete und -skulpturen. Ohne Frage … die Möglichkeiten der kreativen Gestaltung mit Sand sind so zahlreich wie die vielen winzigen Sandkörner auf dem Lumocube, aus denen große Kunst erwächst.“
Mehr über Christian Kaiser, Zappa und sandtogether gibt hier:
©Christian Liederer. Erschienen im Magazin Go for More. Dieser Beitrag darf gerne geteilt, Texte zitiert werden. Das Urheberrecht und geistige Eigentum sind durch den Verweis auf die Quelle zu beachten. Das Urheberrecht und geistige Eigentum sind durch den Verweis auf die Quelle zu beachten.